Sonntag, 7. März 2010

Der „deutsche Filz an Schweizer Unis“ – das Pferd falsch aufgezäumt

Vor einigen Wochen entdeckte die SVP ein neues Wahlkampfthema: der deutsche Filz an Schweizer Universitäten. Die Kosovaren hat’s gefreut, endlich kommt mal jemand anderes dran.
Abgesehen davon, dass es mir als Student eigentlich egal ist, woher ein Professor kommt, so lang er kompetent ist und den Studenten etwas bietet, zeigt die „Diskussion“ des Themas, wie ein echtes Problem von der völlig falschen Seite her angegangen wird.

Des Pudels Kern ist nämlich weniger die Frage, wieso es so viele deutsche Professoren an den Schweizer Universitäten gibt, sondern wieso es so wenige Schweizer gibt, die sich für eine akademische Laufbahn entscheiden oder auch nur einen Doktortitel anstreben. Die Antwort ist simpel: es ist absolut unattraktiv zu promovieren. Dies aus mehreren Gründen:
Zum einen gelten Titel und Ämter in der traditionell egalitären Schweiz weniger als z.B. in Deutschland, den USA oder Österreich, wo man sogar als normaler Studienabgänger bisweilen noch mit „Herr Magister“ angesprochen wird. Damit zusammen hängt auch, dass der Doktorgrad in der Schweiz weniger zentral für das berufliche Vorwärtskommen ist. Es gibt in jedem Fall Positionen im Berufsleben, wo ein Doktortitel unerlässlich ist, doch dies ist die Minderheit. In anderen Ländern sieht das anders aus, was auch erklärt, wieso so viele deutsche Studenten an Schweizer Unis promovieren.
Zum anderen stimmen die institutionellen und finanziellen Rahmenbedingungen nicht. Gerade finanziell muss sich ein Student nach dem Master schon die Frage stellen, ob sich ein Doktorat lohnt. Je nach Studium steigt er nämlich mit einem Jahreslohn von um die CHF 100‘000 ins Berufsleben ein. Demgegenüber steht die Option, entweder vollzeit zu doktorieren und dann gar kein Einkommen zu haben, oder sich als Assistent bei einem Professor zu verdingen. Damit kommt er vielleicht auf einen Jahreslohn von ca. CHF 35 -40‘000. Geht man davon aus, dass ein Doktorat zwei Jahre dauert, so „kosten“ diese Jahre einen Lohnausfall zwischen 120‘000 – 130‘000 Franken. Zudem habe ich dann zwar ein Doktorat, aber immer noch keine Berufserfahrung. Wenn ich dann noch bedenke, dass mir das Doktorat gar nicht so viel einbringt später, muss ich mir schon die Frage stellen, ob ich diese Zeit aufwenden will.
Man mag jetzt einwenden, dass es den Schweizer Doktoranden noch gut gehe, dass man in den USA z.B. praktisch gar nichts verdiene als Assistent und die Schweizer deshalb einfach alles verweichlichte Huschelis seien. Dies mag sein, doch der Vergleich hinkt. Das wäre etwa gleich, wie wenn man einem Schweizer Arbeitslosen vorwerfen würde, wieso er sich keine Stelle in Rumänien suche, wo er Arbeit habe aber einen Lohn von CHF 10.- pro Tag. Zudem bringt das Doktorat in den USA nach dem Abschluss mehr als in der Schweiz (s.h. oben)
Die Wurzeln des Problems liegen aber noch tiefer. Sie sind darin zu suchen, dass es viel zu wenige Assistenzstellen gibt. Auch der Mittelbau an Schweizer Unis ist nicht gerade super dotiert. So hat ein Student, der es sich nicht leisten kann, vollzeit zu doktorieren, nur die Wahl, als Assistent zu arbeiten, wovon es aber wenige gibt. Zudem gipfelt das Dasein als Assistent häufig darin, dass man der Laufbursche des betreuenden Professors ist. Anstatt an der eigenen Arbeit schreiben zu können, dient man als Zulieferer für den Dozenten. Da dieser Betreuer und Bewerter in Personalunion ist, kann Aufmucken gefährlich sein. Und wenn man dann doch sein Doktorat fertig hat und sich für die akademische Laufbahn entscheidet, dann wird man oft jahrelang aufs Abstellgleis gestellt und darf warten, bis man berufen wird. Denn die Zahl der Professuren wie auch die Zahl der Oberassistenten wird aus Kostengründen klein gehalten, obwohl Bologna genau das Gegenteil versprochen hat.

Wer also weniger Deutsche an den Schweizer Universitäten will, sollte zuerst die Attraktivität der wissenschaftlichen Karriere gegenüber der Privatwirtschaft stärken. Der Weg dazu führt über einen Ausbau des akademischen Mittelbaus (Assisteten, Oberassistenten), womit gleichzeitig endlich ein Versprechen der Bologna-Reform eingelöst werden könnte, nämlich die Verbesserung des Betreuungsverhältnisses an unseren Universitäten.

Und übrigens: es arbeiten mehr Schweizer Professoren in Deutschland als umgekehrt.

Bildquelle: badische-zeitung.de