Mittwoch, 21. April 2010

Wandergruppe "Waldvogel" - wieso nur?

Kaum werden die Tage wärmer und spriessen überall die ersten Knospen, sind sind sie wieder da. Nein, die Rede ist nicht von den Pollen. Auch nicht von den Schwalben, die angeblich den Sommer machen sollen. Nein, ein viel untrüglicheres Zeichen für den real existierenden Frühling sind die aus allen Ecken hervorkommenden, scheinbar omnipräsenten Senioren-Wandergruppen.



Wer kennt das nicht: früher Morgen, Pendlerverkehr. Der Zug voll, alle dämmern noch schläfrig vor sich hin, sind allenfalls tief und friedlich hinter ihren Zeitungen verborgen. Doch dann, jäh wird die Stille zerrissen durch das überlaute, lustig fröhliche Geplärre einer ganzen Horde der Spezies "Homo sapiens pensionisticus rotsockiensis". Diese Spezies taucht bevorzugt in wandernden Gruppen auf, trägt stockartige Geweihe und geht einem als Berufspendler mit der lauten Guten-Morgen Stimmung so was auf den Kecks, dass einem die Milch im Kaffee sauer wird.



Doch viel schlimmer am Abend: 1700 Uhr, Rush hour. Auch jetzt die Züge überfüllt, alle hundemüde vom Arbeiten. Und was passiert? Kurz vor Abfahrt stürmt die Wandergruppe "Waldvogel" in den Wagen und beginnt fuchtelnd und schweissmiefend die müden Berufstätigen von den Sitzen zu vertreiben. Schliesslich hat "man" ja reserviert! Amokläufe und Schlägereien drohen.

Für den werktätigen, rationalen Menschen ist es nun wirklich nicht einsichtig, wieso Seniorenwandergruppen immer genau zur Rush-Hour heimreisen müssen. Auch sie müssten doch einsehen, dass die Züge eh schon überfüllt sind. Bei Schulklassen habe ich ja noch Verständnis, mit Primarschülern kann man nicht beliebig spät zu Haus sein. Aber Pensionäre? Was bitte schön spielt es für sie schon eine Rolle, wenn sie eine Stunde später oder gar erst um 2200 Uhr zu Hause sind? Sie können ausschlafen! Aber nein, schliesslich hat man reserviert und es ist ein gottgegebenes Menschenrecht, zur Rush-Hour müde Pendler zu tyrannisieren!



Aber es muss ja nicht immer die Wandergruppe "Waldvogel" sein. Nein, die Verschwörung der Rentner gegen die Berufstätigen ist viel umfassender! Wer kennt das nicht: Schlag zwölf, alle strömen aus dem Geschäft und versuchen ihre 60 Minuten Mittagspause optimal zu nutzen. Schnurstracks steuert man das Migros-Restaurant an. Doch wer sitzt schon da: alle Pensionäre! Obwohl sie den ganzen Morgen und den ganzen Nachmittag Zeit hätten, ihre Mittagessen einzunehmen, blockieren sie just zur Essens-Rush-Hour die Hälfte der Plätze. Schliesslich hat man schon immer um 12 Uhr gegessen und schliesslich sind die Zeitungen gratis! Aber halt: essen ist zu viel gesagt. Es ist ja maximal ein Canapé. Mich würde das als Wirt schon auf die Palme bringen: da könnte ich dutzende Mahlzeiten verkaufen, kann es aber nicht, weil die Plätze von Canapé-essenden Rentnern belegt sind!



Und am Feierabend dieselbe Leier: obwohl sie den ganzen Tag Zeit hätten, schaffen es offensichtlich die Rentner nicht vor 1800 Uhr, ihre Einkäufe zu erledigen. Offenkundig dauert es so lange, um im Migros-Restaurant die Zeitung fertig zu lesen. Wenn also alle Arbeitnehmer in den Laden strömen, um noch kurz die Einkäufe zu erledigen, stehen sie schon da: die Rentner.



Deshalb gibt es nur eine realistische Forderung: eine Ausgangssperre für Pensionierte von 11-13 Uhr und von 17-19 Uhr. Und die SBB sollen endlich aufhören, in der Rush-Hour Platzreservationen auszustellen!