Der aktuelle Abstimmungskampf
über den Familienartikel zeigt leider wieder mal deutlich, wie schwer es vielen
Politikern fällt, in grösseren Zusammenhängen zu denken und nicht bloss an
Einzelthemen. Denn die Rechnung ist recht einfach: in der Schweiz gibt es
überproportional viele Arbeitsstellen. Und wir können jetzt wählen, ob wir
lieber unsere Frauen beschäftigen oder – ausländische Zuwanderer. Aber
irgendjemand muss die Arbeit erledigen. Es ist nun aber genau diejenige Partei,
die Herr und Frau Schweizer mit ihren Bildern von weinenden Kindern hinter
Gittern ein schlechtes Gewissen einjagen will, die mit noch mehr Vehemenz gegen
Zuwanderung antritt. Meine Damen und Herren von der SVP (und FDP): so geht’s nicht:
entweder erhöhen wir die Beschäftigungsquote der Frauen oder wir holen
Ausländer – die übrigens ja nicht alleine kommen, sondern mit Familie, d.h.
eine ausländische Arbeitskraft bewirkt 2 und mehr neue Einwohner. Was ist ihnen
weniger unangenehm? Aber dann müsste man ja eine stringente Politik betreiben.
Das oft gehörte Argument mit den
Kosten hält einer genaueren Betrachtung auch nicht Stand: selbstverständlich
kann die Umsetzung des Familienartikels Kosten verursachen, wird sie wohl sogar.
Aber diese Kosten sind nichts im Vergleich zu den gesamtgesellschaftlichen
Kosten, die die aktuelle Politik generiert. Zu nennen wären da eine überlastete
Infrastruktur (Züge, Strassen), die mit viel Geld ausgebaut werden müssen,
steigende Immobilienpreise in den Wirtschaftsregionen etc. Und es kann ja
wirklich nicht im Sinne einer Gesellschaft sein, dass sie (Staat und Firmen)
enorme Summen in die Ausbildung von 50% der Bevölkerung steckt, um diese
Ausbildung dann brach liegen zu lassen. Wurden diese Kosten schon mal bedacht?
Selbstverständlich ist die
Förderung von Betreuungsplätzen nicht die (alleinige) Lösung. Wichter wäre eine
bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier ist die Wirtschaft gefordert.
Aber wehe, die Politik würde es wagen, den Firmen hier Vorgaben zu machen: die
gleichen Kreise würden erneut lauf aufheulen. Also: was wollen sie lieber:
Betreuungsplätze subventionieren oder Vorgaben für Privatfirmen? Von einem
Zwang zur Fremdbetreuung, wie es das unsägliche Gefängnis-Plakat suggeriert, steht
übrigens im Artikel überhaupt nichts. Und ein solcher Zwang wird sich in der
Schweiz auch nie durchsetzen lassen – er ist auch nicht sinnvoll. Was soll also
der Unfug mit „Staatskindern“?
Als teilzeitarbeitender Vater einer
kleinen Tochter und Ehemann einer teilzeitarbeitenden Frau, die auch schon auf
Wartelisteplatz 45 einer Kinderkrippe standen, wehre ich mich dagegen, in die
Ecke der Rabeneltern gestellt zu werden. Und eigentlich will ich auch keine
Unterstützung vom Staat. Aber wenn es derselbe Staat schafft, uns als
Mittelstandsfamilie durch die Steuerprogression, die Heiratsstrafe, Progression
bei Krippenbeiträgen, höheren bzw. nicht subventionierten Krankenkassenprämien
zu benachteiligen, dann soll er wenigstens hier etwas tun.