Mittwoch, 16. Dezember 2009

Iran-Sanktionen - ein amerikanischer Irrtum

Mitte Dezember 2009 macht also der amerikanische Senat den Weg frei für verschärfte Sanktionen gegen das iranische Regime - wobei die Sanktionen wohl primär die Bevölkerung treffen werden und nicht die Machthaber in Teheran. Geplant ist unter anderem die Einfuhr von Treibstoff in den Iran zu unterbinden. Es gehört zu den Ironien der Weltwirtschaft, dass Iran zwar einer der grössten Erdölproduzenten der Welt ist, aber dennoch 40% seines Treibstoffes importieren muss als Folge mangelnder Raffinierie-Kapazitäten.

Dennoch, auch wenn der iranische Präsident Mahmud Achmadinedschad unbestreitbar ein Despot und gefährlicher Spinner ist, und auch wenn die Vorstellung eines nuklear bewaffneten Irans nicht sehr erbaulich ist, sind diese Sanktionsmassnahmen eine Fortschreibung einer völlig verfehlten Nahostpolitik der USA. Weshalb?

Zum einen führen die Sanktionen von aussen dazu, dass die aktuelle Machtelite im Land gestärkt wird, da äussere Bedrohungen traditionell zu einem Schulterschluss führen. Dies bedeutet, dass die vorhandenen gemässigten Kräfte, von denen es zahlreiche gibt, wie die Demonstrationen im Frühling gezeigt haben, weiter geschwächt werden. Zum anderen muss das Iran-Problem in einem grösseren Zusammenhang gesehen werden.
Die Aufrüstungsbestrebungen des Irans sind wohl nicht primär gegen den Westen gerichtet. Vielmehr sind sie Ausfluss eines seit der iranischen Revolution 1979 andauernden Machtkampfes zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien um die politische und religiöse Vorherrschaft im Nahen Osten und der muslimischen Welt. Auf der anderen Seite des Konflikts steht Saudi-Arabien, das von den USA in erster Linie aus militär- und wirtschaftsstrategischen Gründen seit Jahrzehten gedeckt ist. Diese Unterstützung für das saudische Königshaus ist bei Lichte betrachtet jedoch - ähnlich wie der Support für Israel - aus amerikanischer Sicht völlig widersinnig. Dies aus mehreren Aspekten:
  1. Der saudische sunnitische Islam ist durch die extrem konservative Variante des Wahhabismus geprägt. Wenn es nun ein Land auf der Welt gibt, dass mithilft, diesen konservativen, extremen Islam weltweit zu verbreiten, dann ist es Saudi-Arabien. Wenn irgendwo auf der Welt eine grössere Moschee gebaut wird, dann kann man praktisch sicher davon ausgehen, dass das Geld - und später die Prediger - dafür aus Saudi-Arabien stammen. Die Wahhabis versuchen so Einfluss zu nehmen auf die lokalen Ausrichtungen des Islam. So geschehen z.B. in Bosnien. Die grösste Moschee Sarajevos ist die "König Faisal" Moschee. Die gemässigten bosnischen Muslime beklagen sich zunehmend über den Druck, der auf sie ausgeübt wird, da sie in den Augen der Wahhabis nicht als richtige Muslime gelten. Saudi-Arabien ist der grösste Finanzierer des globalen Islamismus.
  2. Nebst der Tatsache, dass Osama bin Laden Saudi ist, ist auch das Fakt nicht ganz uninteressant, dass 15 von 19 Attentäter des 9/11 saudischer Herkunft waren.
  3. Wohlhabende saudische Familien - auch Zweige des Herrscherhauses - und Stiftungen gehören zu den Hauptfinanciers von Al Qaida.

Die Unterstützung Saudi-Arabiens unterläuft die amerikanischen Sicherheitsbemühugen folglich auf der ganzen Länge. Allein schon auf diesem Hintergrund würde es sinnvoll erscheinen, wenn die USA allenfalls ihre Strategie in der Region anpassen und sich dem Iran annähren würden. Dies hätte jedoch weitere Vorteile. Der iranische Einfluss im Irak ist immens. Ein besseres Auskommen mit dem Iran würde auch die Lage im Irak beruhigen, was nur zum Vorteil der USA sein kann. Das teheraner Regime unterstützt zwar auch Terrorgruppen wie die Hizbollah, allerdings muss dabei berücksichtig werden, dass die Iraner Schiiten sind. Schiiten machen weltweit ca. 15% der weltweiten Muslime aus. Die Reichweite ist deshalb stark begrenzt. Drittens gilt der schiitische Islam - auch wenn man es mit Blick auf den Iran kaum glauben mag - als eher der fortschrittlichere Islam, sicher fortschrittlicher als die Wahhabi in Saudi-Arabien. Der französische Soziologe Emmanuel Todd beschreibt dies in einem NZZ-Interview wie folgt:

NZZ: Ist Iran denn nicht Lichtjahre von einer Demokratie entfernt?
Todd: Passen Sie auf, dass Sie nicht den falschen, westlichen Einschätzungen auf den Leim gehen! Iran hat wie England und Frankreich eine echte Revolution hinter sich. Ahmadinejads Appellen an die Gebärfreude zum Trotz, haben die Iranerinnen im Schnitt nur noch zwei Kinder, und an den iranischen Universitäten studieren mehr Frauen als Männer. Die iranische Gesellschaft ist weit pluralistischer als ihr Ruf. Kulturell ist sie mitgeprägt vom schiitischen Glauben, der, wie der Protestantismus in Europa, abweichende Interpretationen und die Auflehnung gegen starre Dogmen als positive Werte postuliert.

Zieht man alle diese Dinge in Betracht, so kommt man zum Schluss, dass es an der Zeit wäre, dass die USA das Trauma der iranischen Revolution und die Demütigung nach der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran überwinden und eine langsame Neuausrichtung ihrer Nahostpolitik vornehmen.

Quelle Film: SF DRS (Rundschau)

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